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Arbeitsbelastung und Erschöpfung

Das Schließen der Corona-Lücken und die Organisation und Durchführung der Brückenklassen sind die großen Herausforderungen des aktuellen Schuljahres 2022/23. Die Kinder und Jugendlichen haben jede Unterstützung wahrlich verdient. Was aber, wenn den vielen engagierten und pflichtbewussten Schulleitungen und Kollegien die Pandemie-Jahre noch in den Knochen sitzen und nach der mehrjährigen Überlastung Erschöpfung aufbricht?

Die Belastungssituation der Lehrerinnen und Lehrer ist hoch, wie der bpv in regelmäßigen Mitgliederumfragen erfasst. Und immer häufiger reichen persönliche Maßnahmen wie konsequentes Zeitmanagement, klare Priorisierungen oder andere Wege der Selbstoptimierung nicht mehr aus: Die Burnout-Falle droht. Doch die Verantwortlichkeit des Dienstherrn für Erschöpfungssyndrome wird oftmals ausgeblendet.

Burnout ist auf wenige Hauptauslöser zurückzuführen, die je nach Vulnerabilität des einzelnen Beschäftigten einzeln oder in Kombination negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Es sind dies zuvorderst (vgl. Jennifer Moss, The Burnout Epidemic. The Rise of Chronic Stress and how we can fix it, Harvard Business Review Press. Boston, Massachusetts, 2021, S. 17-68):

  • das Arbeitspensum und die mangelnde Kontrolle über die Arbeitsbelastung, -taktung und Art der Ausführung
  • ein Mangel an Anerkennung
  • zu wenig positive Beziehungen am Arbeitsplatz
  • ein Mangel an Fairness und differierende Wertvorstellungen – also eine nicht zu überbrückende Kluft zwischen eigenen und vorgegebenen Werten und daraus abgeleiteten Zielen

Die Folgen können u.a. zunehmender Rückzug, Schlafstörungen, Konzentrations- und Produktivitätsprobleme, gehäufte Infekte, Traurigkeit oder Zynismus sein, in chronischer Form alles Signale für einen Burnout.

Bezogen auf die Corona-Pandemie waren neben der erhöhten Arbeitslast zusätzlich zur seit Jahren zu beobachtenden Arbeitsverdichtung und -entgrenzung auch kurzfristigst umzusetzende Änderungen des Unterrichtsrahmens gravierende Belastungsfaktoren. Während die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen täglich in den Medien und vom obersten Dienstherrn thematisiert wurde, kam die persönliche Frage an uns Lehrkräfte „Wie geht es Ihnen? Wie könnten wir Sie besser unterstützen?“ zu selten, bei dem einen oder anderen wohl gar nicht an. Und das weitgehende Fehlen technischen Arbeitsschutzes wurde als das Gegenteil von Wertschätzung wahrgenommen. In den Rückmeldungen an den Hauptpersonalrat und den bpv-Rechtsschutz tat sich eine Schere zwischen individueller Anstrengung und wahrgenommener Anerkennung von Dienstherr und Öffentlichkeit auf, die so bisher einmalig war.

Es wäre ein Fehler, jetzt nach dem Prinzip „back to business as usual“ die Lehren der Corona-Jahre zu ignorieren. Um Maßnahmen für mehr Arbeitsgesundheit, psychisch wie physisch, ergreifen zu können, brauchen wir noch freie Ressourcen – bevor die Erschöpfung fortschreitet, bevor der schleichende Prozess („nur bis zum nächsten Wochenende durchhalten, dann kann ich ausschlafen“, „nur diesen Arbeitsberg abarbeiten, dann kann ich entspannen“) in eine negative Spirale hineinführt.

 

Diese Stellschrauben können den Teufelskreis durchbrechen:

  • Eine ehrliche Bestandsaufnahme in Politik, Ministerium, aber auch schulintern in Fachschaften wie Gesamtkonferenzen, was wirklich erforderlich ist, um die Ziele gemäß Lehrplan und BayEUG zu erreichen und der getrennte Ausweis von „Pflicht“ und „Kür“
  • Klassenübergreifende freiwillige Teamarbeit, ohne Unterricht im Gleichtakt zu erzwingen, um die pädagogische Freiheit entsprechend der eigenen Lehrerpersönlichkeit bestmöglich einzusetzen
  • Individuelle Belastungssituationen im Kollegenkreis und durch den bzw. die Dienstvorgesetzte auf allen Ebenen wohlwollend wahrnehmen, erforderlichenfalls Arbeitslasten reduzieren und auf stärkende Kommunikation und Lob fokussieren ("nicht geschimpft" ist eben nicht genug gelobt!)
  • Verwaltungs- und Dokumentationspflichten deutlich reduzieren und/oder mehr Verwaltungspersonal einsetzen
  • Klar definierte Auszeiten von digitaler Kommunikation, insbesondere abends, nachts und an Wochenenden für mentale Ruhephasen und um Zeiten mit und ohne Dienst voneinander zu trennen 
  • Die eigene Vorbildfunktion wahrnehmen, auch bei der Selbstfürsorge, und Unterstützungsangebote aus dem Team bzw. Kollegium zulassen („peer support“)

Erschöpfung...

... durch Überlastung bis hin zum Burnout sind bei einem ungünstigen Arbeitsumfeld auch mit den größten Anstrengungen vom Beschäftigten selbst nicht zu verhindern. 

Ina Hesse

stv. Vorsitzende, Rechtsschutzreferat, Hauptpersonalrätin
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