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Pflege: Für den Ernstfall gerüstet

Ein unachtsamer Moment und das Leben ist nicht mehr wie es war. Ein Unfall, eine schwere Krankheit, aber auch das fortschreitende Alter verändern alles. Wer sich vorher Gedanken über den Ernstfall macht und vorsorgt, erspart sich und seinen Angehörigen viel Zeit, Stress und Nerven.

Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung?

Wer durch Krankheit, Demenz, Unfall oder Pflegebedürftigkeit nicht mehr handlungsfähig ist, braucht jemanden, der für ihn entscheidet. Laut Gesetz gibt es niemanden, der automatisch einspringen darf – also weder Eltern, Kinder noch der Ehegatte oder sonstige Angehörige. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB § 1896, 1) besagt: „Kann ein Volljähriger (…) seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht (mehr) besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht für ihn einen gesetzlichen Betreuer.“ Absatz 2: „Die gesetzliche Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten (…) durch einen Bevollmächtigten besorgt werden können.“

Soweit das BGB. Nur: Die Bevollmächtigten oder Betreuer müssen vorab in einer rechtskonformen Vorsorgevollmacht/Betreuungsverfügung schriftlich benannt werden.

Haben Sie das geregelt?

Mit einer Vorsorgevollmacht stellen Sie sicher, welche Person in einem (medizinischen) Notfall Ihre Vertretung gegenüber Behörden, Beihilfe, Renten- und Sozialleistungsträgern wahrnehmen und Entscheidungen treffen darf. Das schließt auch das Entgegennehmen und Öffnen der Post, Wohnungsangelegenheiten, Unterbringung und medizinische Behandlung ein. Die beauftragte Person sollte absolut vertrauenswürdig und auch in der Lage sein, die anfallenden Aufgaben zu erfüllen. Hier kann diese Person auch sog. „Untervollmachten“ für bestimmte Zwecke erteilen.

Alle Institutionen, Gerichte, Krankenhäuser und Ärzte sind an Ihre Wünsche gebunden. Unterschriften können Sie gegen eine geringe Gebühr von der Betreuungsbehörde bei Stadt oder Landkreis beglaubigen lassen. Dort gibt es auch eine Beratung und Musterformulare.

Broschüren und Formulierungshilfen zum Thema finden Sie auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Justiz (www.bmjv.de) und des C.H.Beck Verlags (www.beck.de).

Wichtig: Informieren Sie den Bevollmächtigten, wo das Dokument zu finden ist oder hinterlegen Sie es zentral gegen eine geringe Gebühr unter www.vorsorgeregister.de.

Weitere Infos finden Sie auch online unter www.aok.de/vorsorgevollmacht.

Eine notarielle Beurkundung ist erforderlich, wenn eine Verwaltung/Verkauf von Immobilien oder eine Aufnahme/Prolongierung von Krediten betroffen sind. Diese ist dann natürlich kostenpflichtig. Aus meinen persönlichen Erfahrungen als zertifiziertem Altersberater ist von einer sog. „Generalvollmacht“ abzuraten, da sie viel zu allgemein ist und der BGH im Jahr 2016 entschieden hat, dass konkret festgelegt werden muss, was der Betroffene will – und was nicht.

Betreuungsverfügung

Liegt keine Vorsorgevollmacht vor, setzt das Gericht einen professionellen Betreuer ein. Er bekommt den Auftrag, sich um die Finanzen, einen Pflegeplatz und alle rechtlichen und gesundheitlichen Belange des Betroffenen zu kümmern. Damit es nicht soweit kommt, können Sie auch eine Betreuungsverfügung selbst verfassen, in der Sie einen Wunschbetreuer vorschlagen. Eine solche Verfügung ist vor allem für Alleinstehende ohne Anhang wichtig. Die Betreuungsstelle im nächsten Rathaus oder Landratsamt berät Sie kostenfrei. Im „Ratgeber in Ruhestandsfragen“ des Bayerischen Philologenverbandes gibt es ein Kapitel zu den o.g. Themen. Aus persönlicher, familiärer Erfahrung rate ich allen, die jeweiligen Verfügungen immer in Kopien mit sich zu führen oder bei ihrem Personalausweis einen kleinen Zettel zu deponieren, der auf die Existenz von Verfügungen hinweist.

Bankvollmacht

Können Sie selbst nicht mehr für sich entscheiden, sollte ein anderer auf Ihr Konto zugreifen können, Vermögen oder Depot verwalten oder – falls nötig – das Konto auch kündigen. Oft reicht den Banken dafür eine einfache Vorsorgevollmacht nicht. Kontoinhaber sollten klären, ob ihre Bank eine Vollmacht akzeptiert oder eine spezielle Kontovollmacht nötig ist. Oft bieten Banken ein institutseigenes Formular an, das Kontoinhaber und Bevollmächtigter gemeinsam unterschreiben. Sie entscheiden, ob die Vollmacht mit dem Tod erlischt oder darüber hinausgeht. Direktbankkunden finden die Vollmachten auf der Internetseite ihrer Bank oder können diese dort anfordern. Nach beiderseitigen Unterschriften senden Sie das Dokument an die Bank zurück. Der Bevollmächtigte weist sich in der Regel mittels Postident aus. Manche Banken bieten auch eine Identitätsprüfung per Video-Chat an.

Was ist eine Patientenverfügung?

„Es ist eine schriftliche Festlegung einer einwilligungsfähigen, volljährigen Person, ob sie in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen ihres Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt“ (§ 1901a BGB, seit 1.9.2009 im Betreuungsgesetz verankert).

Bei medizinischen Entscheidungen kommt es auf den Willen des Patienten an, auch wenn er selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist. In solchen Fällen hilft eine im Voraus erstellte Patientenverfügung. Der Verfügende legt fest, für welche Krankheitssituation er in bestimmte medizinische Behandlungen einwilligt oder welche Maßnahmen er ablehnt. Die Patientenverfügung muss schriftlich vorliegen – als Formular oder in Textform – und sie muss unterschrieben sein. Seit September 2009 ist diese für Ärzte rechtlich bindend. Allerdings reicht das Schriftstück alleine nicht aus. Ein Vertreter ist nötig, um Ihren Willen auch umzusetzen – also ein Bevollmächtigter oder Betreuer. Sind die Angaben in der Verfügung nicht genau genug oder sind sich Arzt und Bevollmächtigter nicht einig über das, was der Patient will, entscheidet letztendlich das Betreuungsgericht (vgl. § 1904 BGB). Besprechen Sie Ihre Patientenverfügung mit dem Hausarzt und lassen Sie sich von ihm über die Folgen Ihrer Wünsche genau aufklären. Dieses Arztgespräch sollte mit einer Unterschrift des Arztes dokumentiert werden. Sie können Ihre Verfügung jederzeit, auch mündlich, widerrufen oder ändern – sofern Sie noch einsichtsfähig sind. Es ist sinnvoll, die Patientenverfügung regelmäßig zu überprüfen und mit Datum alle zwei Jahre zu unterschreiben: Entspricht sie noch Ihrem tatsächlichen Willen? Sind neue medizinische Entwicklungen und Erkenntnisse oder neue Urteile darin berücksichtigt?

Rainer Wirth, ehemaliger Englisch- und Geschichtslehrer am Maristenkolleg Mindelheim, bpv-Seniorenvertreter von Schwaben und zertifizierter Altersberater


 

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